Nach 3543 km, 55 Tagen und 233 Stunden auf dem Sattel sind wir nun angekommen. Ushuaia, el fin del Mundo (das Ende der Welt)!

Wir fanden die schönsten Schlafplätze an Seen, Flüssen und am Strand mit Blick auf Wale, schliefen bei fremden Leuten, die uns eingeladen hatten und versuchten bei LKW-Lärm keine 50m neben der Ruta 3 (Haupverkersstraße bzw. die einzige Straße nach Süden) einzuschlafen. Wir genossen strahlenden Sonnenschein und verfluchten oft den Wind der bis zu 90 km/h stark werden konnte. Und ich hätte nicht nur einmal gerne den nächsten LKW angehalten und hätte mich von ihm nach Ushuaia kutschieren lassen. 

Aber wir hätten die wunderschönen Sonnenaufgänge verpasst, die Stille der Natur am Abend und in der Nacht niemals erleben können und viele Menschen nicht kennen gelernt. Egal ob es der LKW-Fahrer war, der extra für uns angehalten hatte und uns Kekse und Café schenkte, ob es die Menschem waren die uns in ihrem Haus oder ihrer Bäckerei schliefen ließen und uns die Kultur näher brachten oder ob es ein Fahrradhändler war den wir auf der Ruta 3 getroffen hatten und der uns angeboten hat, dass wir uns immer bei ihm melden können. Von diesen Begegnungen gab es so viele mehr und die Autos und LKW, die uns ermunternd zuhupten, um uns bei starkem Wind zu motivieren, konnte man irgendwann nicht mehr zählen. All diese Begegnungen hätten wir niemals erleben dürfen, diese Erreichbarkeit für die Menschen hier hätten wir niemals erfahren, wenn wir uns nicht für das Fahrrad entschieden hätte. Man würde oft gerne schneller vorran kommen, aber genau diese Entschleunigung zeigt uns, wie schön Zeit und Ruhe sein können.

Nachdem wir dann überraschenderweise doch einen Tag früher, als geplant in Ushuaia ankamen, weil der Schlafplatz 10 km vorher nicht unseren Vorstellung entsprach, bzw. kein Platz für unser Zelt hergab, waren wir plötzlich angekommen. Plötzlich war das Ziel, das wir seit 2 Monaten verfolgten erreicht und es fühlte sich absoulut nicht besonders an. Es hätte jede andere Stadt sein können, in die wir in diesem Moment reingefahren sind. Wir machten erstmal Mittagspause vor der Touristeninformation und freuten uns über die Information, dass noch Offseason war und wir somit keinen Eintritt in den Nationalpark zahlen mussten, denn wir hatten aufgrund der bevorstehenden Wahlen und der Angst, dass der Wechselkurs noch schlecht wurde, das Geld ausgegeben und hätten sonst noch extra Geld wechseln müssen. 

So konnten wir direkt zum Municipal Campingplatz fahren, welcher 2 km vor dem Eingang des Nationalparks und ca. 10 km von der Stadt entfernt ist. Dort verbrachten wir dann die Nacht neben der Südlichsten Eisenbahn der Welt und bekamen einen Eindruck wie touristisch dieser Ort ist. 

Der Nationalpark und unser erstes großes Ziel 

Durch unsere Planänderung hatten wir jetzt den ganzen Tag Zeit, um bis zum Ende der Welt bzw. bis zum Ende der Ruta 3 zu fahren. Es sollten nur 15 km sein, die größtenteils bergab gehen sollten. Also fingen wir an uns zu freuen, weil das Ende bzw. das erste große Ziel jetzt wirklich fast erreicht war. 

Wir verbrachten so unfassbar viele Stunden, Tage und Wochen auf der Ruta 3, waren immer wieder erstaunt wie leer diese Straße für die einzige Verbindungsstraße in den Süden war. Schüttelten den Kopf wenn der Asphalt mal wieder für ein paar Kilometer fehlte und waren oft sprachlos, wie windig eine Region sein kann. Aber wir hatten es fast geschafft. Dass die Straße die letzten Kilometer nicht mehr geteert war, wunderte uns nicht und störte uns auch nicht mehr. Jedoch ging es leider nicht 13 km schön bergab, sondern die Straße führte mit richtig steilen Gegenanstiegen hügelig bis zum Ende. Doch dann waren wir endlich angekommen. Angekommen an dem Ende der Ruta 3 mit dem berühmten Schild, Alaska 17.848 km. 

Bahia Lapataia, das Ende der Ruta 3
Bahia Lapataia, das Ende der Ruta 3

Da aber an dem Schild eindeutig zu viele Touristen standen, entschieden wir uns erst einmal eine Mittagspause zu machen. Wir stellten unsere Fahrräder ab und holten unser Essen raus. Wir schauten, wie Massen an Menschen mit Reisebussen bis kurz vor das Schild kutschiert wurden und genossen bei Sonnenschein unser Essen. Doch plötzlich hatte man das Gefühl selber zur Touristenatraktion geworden zu sein, Menschen gingen nicht zuerst zum Schild sondern kamen auf uns zu und unterhielten sich mit uns, wollten Fotos mit uns machen und nahmen unsere Fahrräder und taten für ein Fotomotiv so, als wären sie mit dem Fahrrad hierher gekommen.

Nachdem wir einen kurzen Moment genutzt hatten, an dem keine Menschen an dem Schind standen um Fotos zu machen, genossen wir noch den Ausblick auf die Berge und fuhren danach zu unserem Zeltplatz. Dieser war ca. 3 km vom Ende der Ruta 3 entfernt und der einzige offene in der Offseason. Wir suchten uns einen schönen Platz direkt am Fluss mit Blick auf die verschneiten Berge aus. Wir waren die einzigen dort, die über Nacht bleiben wollten und hatten somit die freie Platzwahl. Nachdem wir dann das Zelt aufgebaut hatten, alle Sachen drin verstaut hatten und unsere Fahrräder dran geschlossen hatten, gingen wir zu Fuß nochmal bis zum Ende der Welt. Denn man konnte noch einen Wanderweg in Richting Süden gehen. Dann standen wir wirklich am südlichsten Punkt, den man hier erreichen konnte und zum Glück waren gegen Abend nicht mehr so viele Touristen dort, sodass wir sogar unsere Ruhe hatten. Die Aussicht auf die Berge war wunderschön und fast besser als der Fakt, das man jetzt am südlichsten Punkt angekommen war. Wir liefen über Wanderwege zurück zum Zelt und genossen den Sonnenuntergang hinter den Bergen. 

Blick vom Wanderweg auf Bahia Lapataia
Blick vom Wanderweg auf Bahia Lapataia

Am nächsten Morgen ging es dann früh weiter. Leider nicht mehr mit so schönem Wetter wie davor den Tag. Wir wollten die einzige etwas länger Wanderung des Nationalsparks machen, beführchteten aber, dass diese wegen Offseason noch nicht geöffnet war. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Als wir dann aber vor dem Schild standen, welches den Eingang zu diesem Wanderweg versperrte, mussten wir es akzeptierten und entscheiden uns, den einzigen offenen Wanderweg an der Küste entlang zur chilenischen Grenze zu gehen. 

Als wir dann nach ca. 17 km wieder am Zelt waren, räumten wir alles Sachen wieder ans Fahrrad und sprangen in den Fluss, der wie erwartet noch ziemlich kalt war. 

Der südlichste Zeltplatz unserer Tour
Der südlichste Zeltplatz unserer Tour

Zum Glück konnten wir danach direkt in unsere warmen Schlafsäcke kriechen und den letzten Abend im Nationalpark mit Blick auf die mit Neuschnee bedeckten Berge, sowie einer Runde Scopa ausklingen lassen.

Waschen, kochen und planen ist stressiger als Fahrradfahren!

Weil wir WLAN brauchten, um zu erfahren wann wir in unsere Wohnung einchecken konnten, fuhren wir früh wieder aus dem Nationalpark raus. Leider mussten wir dafür den hügeligen Weg mit den steilen Anstiegen zurück. 

Wieder an dem Municipal Campingplatz und der südlichsten Eisenbahn angekommen, hofften wir dort auf freies WLAN. Zum Glück gab es das auch und es funktionierte sogar. Wir konnten leider erst gegen 15 Uhr einchecken und mussten so noch ca. 4 Stunden umbekommen, bis wir in die Wohnung kamen. Wir entschieden uns, das Zelt aufzubauen denn es regnetete in Strömen und war kalt. Wir legten uns also mit unsere Schlafsäcken ins Zelt, überlegten was wir alles machen müssten in den nächsten Tagen und suchten uns noch Wanderungen außerhalb des Nationalparks raus, welche wir machen wollten. Leider hörte es nicht auf zu regnen und wir  mussten das Zelt nass zusammen packen und kamen klitsch Nass und verdreckt an der Wohnung an. 

Nachdem uns die Vermieterin kurz die Wohnung gezeigt hatte und uns netterweise sogar eine Plane für unsere Fahrräder gab, um sie darunter zu verstecken, fingen wir an alle unsere Sachen rein zu bringen. Da die Taschen komplett verdreckt waren, dauerte es ewig bis wir sie halbwegs sauber und trocken in der Wohnung hatten. Danach mussten wir erstmal die Wohnung wieder putzen, denn der Dreck lies sich leider nicht vermeiden.

Eigentlich wären wir reif für‘s Sofa gewesen und hätten mal so gerne einfach nichts getan. Aber wir brauchten noch Geld und mussten zumindestens das Nötigste einkaufen. Denn wenn wir schon mal einen richtigen Herd hatten, wollten wir keine Polenta kochen. Also ging es direkt wieder los durch den Regen in die Stadt. Am Abend waren wir dann komplett geschafft und machten gar nichts mehr außer unsere erste Wäsche anstellen.

Die nächsten Tage waren von Aufräumen, waschen, Sachen reparieren und Fahrräder auf Vordermann bringen geprägt. Wir wunderten uns wie die ganzen Sachen in unsere Taschen passen konnten, die Waschmaschiene lief auf Hochtouren und wir kamen nicht wirklich dazu mal einfach gar nichts zu machen. 

Außerdem mussten wir die weitere Route planen, Entscheidungen treffen und uns Gedanken machen, welche Highlights für uns Priorität hatten. Mein Traum ist es schon lange den Wanderweg im Nationalpark Torres del Paine zu laufen. Leider war jedoch die Buchung schwierig, da sie schon lange im Voraus ausgebucht waren und grundsetztlich ziemlich kompliziert ist. Wir verbrachten über 5 Stunden damit, diesen Traum von mir verwirklichen zu können. Leider kamen wir so mit unseren andere Sachen, die erledigt werden mussten nicht groß weiter.

Um aber zumindestens mal ein bisschen raus  zu kommen, wanderten wir am Samstag auf den Gletscher Martial und genossen eine wunderschöne Aussicht auf Ushuaia und die Berge rund um den Beagle-Kanal. 

Gletscherwanderung mit Neuschnee
Gletscherwanderung mit Neuschnee

Außerdem genossen wir es mal wieder richtig kochen zu können. Wir mussten zwar teilweise ein bisschen improvisieren und eine Kuchenform zur Auflaufform umfunktionieren, unseren Tortelliniauflauf mit Schlagsahne zubereiten und unsere selbst gemachten Empanadas mit Öl bestreichen, damit sie zumindestens etwas kross wurden. 

Weil wir es die letzten Tage nicht geschafft haben, werden wir dann morgen noch einmal eine Wanderung auf den Berg Cerro del Medio machen und uns mit Essen für den Rückweg nach Rio Grande eindecken. Eine Nacht werden wir dann noch auf dem Municipal Campingplatz verbringen, um am Mittwoch dann wieder Richtung Norden aufzubrechen. 

Es tat gut mal eine Pause vom Fahrradfahren zu haben. Auch wenn die letzten Tage nicht so entspannt waren, wie wir es uns erhofft haben, haben wir viel geschafft, wieder frisch gewaschene Klamotten und Schlafsäcke und frisch geflickte Jacken und Taschen. 

Trotzdem sind wir froh jetzt wieder los zu fahren und freuen uns auf das nächste Highlight Torres del Paine.

2 Kommentare

  1. Geschafft – tolle Leistung

  2. Dr.Klaus Heipel

    Hallo Charlotte und Yannik, ich bin Klaus,ein Tennisfreund von Yanniks Opa Helmut,wir waren auch schon zusammen auf Fahrradtour.Von Helmut habe ich den Zugang zu euren Blog.
    Mit großer Freude und Interesse verfolge
    ich eure sensationelle Tour,eine Freude bei diesen gelungenen Reiseberichten.
    2007 waren ich und meine Frau in Ushuaia,wir sind von dort mit dem Expeditionsschiff Fram in die Antarktis gestartet und haben auch den Nationalpark besucht.So schwelge ich beim Lesen in Erinnerungen.
    Weiterhin schönen Erlebnisse,freue mich auf den nächsten Bericht.

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